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Mitte der Welt. Eine Insel im Sog der Globalisierung

Sachbuch

Kollektiv Lang+Breit

Mitte der Welt. Eine Insel im Sog der Globalisierung

Was passiert, wenn die Welt ihre Ränder verliert? Der Banda­Archipel, diese winzige, in Muskatduft gehüllte Inselgruppe weit im Osten von Indonesien, war zu Kolonialzeiten gewissermaßen die Mitte der Welt, Zentrum des globalen Handels mit kostbarsten Gewürzen. Dann geriet Banda in Vergessenheit – bis es vom Sog der Globalisierung erfasst wurde. In Essays, Porträts und Fotografien fängt dieses Buch den globalisierten Alltag ein. Und so wird eine winzige Insel im Pazifik plötzlich exemplarisch für das große Ganze.

Verlagstexte

Der Banda­ Archipel, diese winzige, in Muskatduft gehüllte Inselgruppe weit im Osten von Indonesien, war zu Kolonialzeiten gewissermaßen die Mitte der Welt, Zentrum des globalen Handels mit kostbarsten Gewürzen. Dann geriet Banda in Vergessenheit – bis es vom Sog der Globalisierung erfasst wurde.

In Essays, Porträts und Fotografien fängt dieses Buch den globalisierten Alltag ein. Von der Lehrerin über den Plantagenbesitzer zum Tourismusunternehmer: Texte und Bilder treten in einen Dialog und erzählen die Geschichten dieser Menschen – und damit ein Stück weit auch die Geschichte der Globalisierung. Was passiert, wenn die Welt ihre Ränder verliert? Wenn Traditionen uminterpretiert werden und sich der Kompass der politischen, religiösen wie auch der wirtschaftlichen Orientierung neu ausrichtet?

Der Betrachter, die Betrachterin wird staunen: denn auch im scheinbar Fremden stößt der wache Blick immer wieder auf das Vertraute, auf die eine Welt. Und so wird eine winzige Insel im Pazifik plötzlich exemplarisch für das große Ganze.

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© Cover: Verlag, Foto(s): k.A.

Presse- und Autorenstimmen

Ein begeisterndes Sachbuch in bester Tradition. Es grüßen Trojanow, Naipaul, Evans & Agree: Uns eine scheinbar fremde Welt erschließend, die, eh klar, die unsere ist.

(

Hermann Barth, in münchen

)

Ehrliche Fotografien, anschauliche Essays und aufschlussreiche Portraits ergänzen sich gegenseitig, führen uns den Alltag der Bandanesen vor Augen und verraten ihre Träume, Wünsche, Ziele und Sorgen. Im Fokus steht besonders die wachsende Mittelschicht – Unternehmer, Angestellte oder Lehrer – die zuallererst von globalen Dynamiken erfasst wird und oft eine Vorbildfunktion für die breite Unterschicht hat.

(

Marisa Reichert, zenithonline.de

)

Erfrischend, anschaulich, ungewohnt.

(

Gabriela Neuhaus, Eine Welt Magazin

)

Textprobe(n)

Die Banda­-Inseln schienen tatsächlich gesegnet, nicht nur in den alten Mythen, die Großmütter ihren Enkeln erzählten. Thunfische,
 Makrelen und Papageienfische tummelten
sich in den Riffen, und in den Wäldern, die von
der Küste bis zu den Bergspitzen reichten, reiften Jackfrüchte und Kokosnüsse, Mangos und
 Rosenäpfel. Ackerbau war hier überflüssig,
 und was nicht von alleine wuchs, wie der Reis,
 das brachten Händler auf großen Schiffen.
 Denn zwischen Mangos und Kokosnüssen
 fanden die Bandanesen, was die ganze Welt
 begehrte: Zimt, Nelken und das seltenste aller
 Gewürze, den Muskat.

Banda, das Land des Muskats, wurde zum Zentrum des niederländischen Kolonialreichs, zur Mitte der Welt. Hier experimentierten die Holländer mit einer neuen Form kolonialer Wirtschaft, mit der die Europäer bisher kaum Erfahrung hatten und die sie später in der Karibik perfektionierten: der Plantagenwirtschaft. In wenigen Jahren rodeten sie die Wälder Bandas und pflanzten überall Muskatbäume. Und sie holten Sklaven, aus jedem Winkel ihres neuen Reichs. Sie schifften sie her aus Java und Sulawesi, aus Seram und Halmahera. Die Sklaven Bandas hatten weder gemeinsame Vorfahren noch gemeinsame Traditionen, noch eine gemeinsame Sprache. So waren sie einfacher zu beherrschen – und die Holländer herrschten lange, mehr als dreihundert Jahre.

Für kurze Zeit, als Napoleon ganz Europa er
oberte und die Engländer rund um den Globus
 gegen Frankreich und seine Verbündeten
kämpften, fiel Banda an das Vereinigte Königreich. Die Engländer nutzten die Gelegenheit, um Muskatnusssetzlinge nach Sri Lanka und in die Karibik zu bringen, aber schon einige Jahre später, als die Holländer wieder als Verbündete an ihrer Seite kämpften, gaben sie ihnen Banda zurück.

Denn der Muskat war schon damals nicht mehr so wertvoll wie einst, Banda nicht mehr die Mitte der Welt. Die Europäer kämpften um andere Kolonien, in denen sie Baumwolle, Kaffee oder Tabak anbauen ließen. Dampfschiffe, Zeitungen, Grammofone kündeten von beispiellosen Umwälzungen in Europa und Amerika, weit weg von Banda. Und selbst auf den Karten des Weltkriegs war Banda nur noch ein unwichtiger Punkt im blauen Meer.

Auch später, im riesigen Indonesien, war Banda bloß eine unbedeutende Provinz. Bis Ende der Achtzigerjahre gab es hier noch nicht einmal Strom, und wenn die Sonne im Meer versank, begannen die Kinder sich vor den Geistern zu fürchten, die in den dunklen Nächten um die Häuser schlichen. Heute aber rattern Motorräder durch die beleuchteten Gassen, Mobiltelefone klingeln an jeder Ecke und in den Häusern sitzen die Familien vor dem Fernseher. Die Fähre bringt Spielzeug, Uhren, Kleider und Möbel, das Flugzeug aus Ambon sogar einige Touristen. Vieles ist hier heute wie überall. Die großen Veränderungen mögen hier und dort eine unterschiedliche Färbung annehmen, doch die Entwicklungen sind dieselben, die Lebensweise der Menschen in Banda, selbst ihre Sorgen und Wünsche, gleichen sich dem Rest der Welt an.

 

Bandas Weg zurück in die Mitte der Welt war Teil einer allgemeinen (welt)gesellschaftlichen Entwicklung, doch Banda schritt auf diesem Weg schneller voran als andere abgelegene Orte Indonesiens. Den Prozess beschleunigt hat vor allem ein einzelner Bandanese: Des Alwi. Außergewöhnliche Umstände führten ihn vom Ende der Welt in die Gesellschaft von Staatenlenkern, Diplomaten, Geschäftsmännern und eröffneten ihm einen neuen Horizont der Möglichkeiten. Die Erfahrungen und Beziehungen, die er in der Welt gewann, setzte er später dazu ein, Banda nach seinen Vorstellungen zu formen. Er wurde zum informellen "König von Banda", wie ihn die Bandanesen ehrfürchtig nennen.

Des Alwis Leben scheint einem Roman entsprungen – und er war sich dessen sehr wohl bewusst. Er selbst hat mehrere autobiografische Bücher verfasst, in denen er seine das 20. Jahrhundert umspannenden Abenteuer schildert.

Sie beginnen im Hafen von Banda Neira, dem Zentrum des Archipels. Dort sieht der zehnjährige Des im Februar 1936 zwei blasse, dünne Männer von der Fähre steigen, die sein Leben für immer verändern werden. In weißem Anzug und Krawatte stehen sie etwas veloren inmitten von Bücherkisten und Koffern. Mohammad Hatta und Sutan Sjahrir sind zwei prominente Führer der indonesischen Nationalbewegung, die von der holländischen Regierung nach Banda verbannt wurden. Banda, das wissen die Kolonialherren, schlummert am Rand der Welt. Hier sollen die andernorts gefürchteten Nationalisten frei über die Inseln wandeln dürfen, hier sollen sie reden können, was sie wollen. Für die in Holland akademisch gebildeten und international vernetzten Berufsrevolutionäre bietet das abgelegene Banda nicht viele Möglichkeiten, die Unabhängigkeit Indonesiens voranzutreiben. Schon bald nach ihrer Ankunft beginnen die beiden damit, zumindest eine kleine Anhängerschaft zu versammeln, die sie in ihrem Sinne schulen: Sie gründen eine kostenlose Nachmittagsschule, in der sie Kindern der bandanesischen nicht westlichen Oberschicht Geschichte, Sprachen und westliches Wissen vermitteln. Des Alwi geht hin, begeistert beschreibt er den ungewöhnlichen Unterricht. Sjahrir adoptiert sogar einige der Kinder – darunter Des – inoffiziell.

Der 1926 geborene Des Alwi wächst in einer
Zeit auf, die heute schon fast so fern erscheint
wie die Jahrhunderte davor. Auf Banda, diesen winzigen, in Muskatduft gehüllten Inseln im ökonomisch und politisch bedeutungslosen Hinterland Niederländisch­Ostindiens, leben 
noch einige wenige Europäer. Die europäischen Beamten, Händler, Lehrer, Verwalter und Mili
tärs bleiben meist unter sich, schicken ihre Kin­
der in eine den Inlanders, wie sie die Einheimischen nennen, kaum zugängliche Schule. Der holländische Arzt behandelt die Inlanders nur widerwillig und für viel Geld. Die Europäer wohnen in säulengeschmückten Kolonialhäusern, treffen sich abends auf ihren Veranden, schlürfen Gintonic, lesen die veralteten Zeitungen, die das Dampfschiff aus Europa brachte, oder lauschen den schmetternden Tönen Toscaninis, die aus dem Grammofon in die tropische Nacht schallen.

Auch Des Alwis Familie lebt in einem der mit Marmorplatten ausgelegten Kolonialhäuser, obwohl sie nicht europäischer Abstammung ist. Des Alwis Großvater ist durch Perlmuttfischerei zu großem Reichtum gekommen und hat den Aufstieg in die kleine nicht westliche Oberschicht der Molukken-­Inseln geschafft. Auf der Suche nach Muscheln schickt er seine Schonerflotte bis Papua im Osten und Sulawesi im Westen. Perlmutt ist begehrt – in Europa, Amerika, Australien werden in jener Zeit daraus Knöpfe für Hemden und Anzüge gefertigt.

Doch in den Dreißigerjahren, als Knöpfe zunehmend aus dem neuen industriellen Kunststoff Bakelit hergestellt werden, bricht der Markt für Perlmutt ein; die Weltwirtschaftskrise tut ein Übriges und das Imperium von Des Alwis Großvater zerfällt. Die Familie muss aus dem prachtvollen Haus mit zahlreichen Bediensteten ausziehen und lebt fortan bescheiden, aber doch im Bewusstsein, zur kleinen Oberschicht Bandas zu gehören, nahe dem Hafen von Banda Neira, wo Des Alwi seine neuen Mentoren Hatta und Sjahrir das erste Mal trifft.

Sechs Jahre lang bleiben Hatta und Sjahrir auf Banda, bis nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour der Pazifikkrieg beginnt. In der bald enttäuschten Hoffnung, dass sie ihr im Kampf gegen die japanischen Invasoren beistehen würden, holt die niederländische Kolonialregierung die beiden Revolutionäre Anfang 1942 nach Java. Die Männer gehen nicht alleine: Einige der von ihnen in diesen Jahren geschulten Kinder fliegen mit – der sechzehnjährige Des folgt wenige Wochen später auf dem langen Weg mit dem Schiff, die Bücher seiner Mentoren im Gepäck. Er wird erst Mitte der Siebzigerjahre, im Alter von fast fünfzig Jahren, nach Banda zurückkehren.

In Batavia, der heutigen indonesischen Hauptstadt Jakarta, lebt Des Alwi zunächst im
Haus von Sjahrir und absolviert eine Ausbil­dung zum Radiotechniker. Später nimmt er als
Funker am Unabhängigkeitskampf teil und
wird bei der Schlacht um Surabaya angeschossen. Nach seiner Genesung schickt ihn Sjahrir, inzwischen Premierminister der jungen Republik, nach London, wo er für die indonesische Regierung Arbeiten erledigt und am British Institute of Technology seine technische Ausbildung abschließt. Vizepräsident Hatta ernennt
ihn 1949 sogar zum Assistenten zweier Offiziere für die Verhandlungen in Den Haag, bei denen die Souveränität der indonesischen Republik von der holländischen Regierung endgültig anerkannt wird.

Auch Alwis weitere Karriere wird von der Politik Indonesiens bestimmt. Kurze Zeit baut er den staatlichen Radiosender mit auf, tritt 1953, mit 27 Jahren, in den diplomatischen Dienst ein und arbeitet einige Jahre in Bern, Wien und Manila. Nachdem der Führungsstil des indonesischen Präsidenten Sukarno immer mehr diktatorische Züge annimmt und dessen ehemaliger Bundesgenosse Hatta enttäuscht vom Amt des Vizepräsidenten zurücktritt, quittiert Des Alwi 1958 den diplomatischen Dienst und wird Repräsentant der Permesta­-Rebellen. Diese wehren sich gegen die wirtschaftliche Benachteiligung der Randregionen Indonesiens und fordern, Sukarno solle die Macht wieder mit Hatta teilen. Alwi vertritt die Rebellen, bis sie 1961 aufgeben müssen: erst in Bern und später im britischen Hongkong. Die folgenden Jahre verbringt er mit seiner inzwischen gegründeten Familie im Exil in Manila, bevor er 1966, nach dem Sturz Sukarnos durch den neu­ en Diktator Suharto, wieder nach Jakarta zurückkehren kann.

Zu Beginn schätzt das neue Regime die dip
lomatischen Fähigkeiten von Des Alwi. Als Me
diator spielt er eine wichtige Rolle in den Frie
densverhandlungen mit dem neu gegründeten
 Malaysia, mit dessen Premier­ und Vizepremierminister er seit dem gemeinsamen Studium in
London befreundet ist. Auch bei der Gründung
 der ASEAN, dem Verband Südostasiatischer Nationen, ist er 1967 als Delegierter dabei. Danach 
wird es in der hohen Politik ruhiger um ihn. Einige Jahre später zieht es ihn nach Banda zurück.

Von nun an bis zu seinem Tod im Jahr 2010 widmet sich Des Alwi der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Bandas. Die Gründe, weshalb er sich nun immer mehr für seine Heimatinseln einsetzt, sind vielfältig. Einerseits hat Des Alwi seine Jugend im Umfeld der Unabhängigkeitskämpfer verbracht, die nicht zuletzt vom Willen zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung Indonesiens getrieben waren. Andererseits bietet ihm die Position als informeller Entwicklungshelfer Bandas auch Möglichkeiten zur persönlichen Bereicherung. Dabei gelingt es ihm, die Kontrolle über weite Teile des wirtschaftlichen und sozialen Lebens Bandas zu erringen: Er wird zum "König von Banda" und schafft die Grundlagen für Bandas ökonomischen Anschluss an die Welt.

Mitte der Welt. Eine Insel im Sog der Globalisierung
Politik und Zeitgeschichte
ALS BUCH:
Hardcover
192 Seiten
Format: 210 x 260 mm
Auslieferung: ab 31. März 2015
D: 32,50 Euro A: 33,10 Euro CH: CHF 36,00 CHF

ISBN (Print) 978-3-85869-615-1

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Pressekontakt des Verlages:

Sarah Wendle
+41 (0)44 4054484
sarah.wendle(at)rotpunktverlag.ch

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