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Venus und Adonis

Belletristik

Astrid Schmeda

Venus und Adonis

Astrid Schmeda stellt in ihrem Roman die Liebe zwischen der verheirateten Malerin Vanessa Bell und dem homosexuellen Maler Duncan Grant in den Mittelpunkt. Sie bilden das Zentrum der revolutionären Künstlergruppe Bloomsbury in London. Dazu gehören die Schriftsteller Leonard und Virginia Woolf, Clive Bell, der Ökonom Maynard Keynes. Ausgehend von ihren Reisen nach Cassis am Mittelmeer wird ihre wechselvolle Geschichte zwischen den Kriegen aufgerollt.

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Verlagstexte

Bloomsbury ist ein Stadtteil von London und steht für eine gesellschaftsverändernde Bewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, vergleichbar mit der von 1968.

Den Anfang machten zwei junge Frauen, Schwestern, die nie eine Schule besucht hatten: Virginia Woolf wurde als Schriftstellerin berühmt, Vanessa Bell als Malerin. Sie schufen mit den Freunden ihres Bruders Thoby aus Cambridge einen intellektuellen Kreis, in dem die Konventionen und die Moral der viktorianischen Zeit über Bord geworfen wurden.

Vanessa Bell setzte diese Freiheit, nur den eigenen Empfindungen zu folgen und nicht der verlogenen Tradition, am radikalsten in ihrem Leben um: Sie heiratete und hatte zwei Kinder, folgte dann der Liebe ihres Herzens zu dem homosexuellen Maler Duncan Grant, von dem sie ihr drittes Kind bekam. Sie arbeitete hart an der Entwicklung ihrer Malerei, verdiente ihr eigenes Geld, reiste viel, um zu lernen. Sie unterhielt zwei große Haushalte, in der Stadt und auf dem Lande, gründete für ihre Kinder eine eigene Schule, stand im Mittelpunkt von Partys und Gesellschaften.

Nach einer Jugend, in der sie den frühen Tod der Mutter, der ältesten Schwester sowie des geliebten Bruders überwinden musste und sich um die suizidgefährdete Schwester kümmerte, kam der 1. Weltkrieg. Vanessa betrieb eine Farm für Kriegsdienstverweigerer, denn die meisten Bloomsburys waren engagierte Pazifisten.

1928 bis 1938 fuhr sie jedes Jahr für mehrere Monate nach Cassis ans Mittelmeer, und natürlich kam Bloomsbury hinterher: Vanessas Ehemann, die Kinder, die Lover von Duncan, Virginia mit Leonard und viele andere. Doch 1937 konnte sie ihren Ältesten nicht halten: Julian zog in den Krieg gegen Franco.

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© Cover: Verlag, Foto(s): Verlag

Textprobe(n)

Die Vögel sangen die gleichen Melodien wie in England. Doch jetzt war eine fremde Stimme dazwischen: ein kurzes Hu-hu-hu. Vanessa hatte die Vorhänge nicht zugezogen. Die Sonne warf ihre ersten Strahlen von den Hügeln im Osten über die noch von der Nacht umfangenen Zedern und Zypressen bis zu dem Weinfeld vor dem Haus, zwischen dessen Reihen weiße und gelbe kleine Blumen leuchteten. Vanessa wartete, bis der erste Strahl auf ihr Fenster traf, auf die gelbe Wand, die Vase mit den Tulpen, den Zeichenblock auf dem Pult. Sie atmete tief, zog die Bettdecke noch einmal über die Nase, streckte sich. Unter der Decke ein Geruch nach Körper, nach Sperma. Vanessa genoss die Erinnerung wie ein zutiefst geheimes Glück. Sie schob sich etwas höher, befreite den Oberkörper von den schweren Daunen.

Das erste Mal das Gefühl von Freiheit nach dem Tod ihres Vaters. Es war nicht irgendeine kleine, banale Freiheit, es war, als sei sie nach langer Gefangenschaft in einem dunklen Zimmer ins Freie und ins Licht getreten. Ginny würde andere Worte finden, weniger salbungsvolle, aber für sie war es genau so. Vanessa schämte sich nicht, dass der Tod des Vaters eine solche Erleichterung ausgelöst hatte. Die letzten Jahre mit ihm waren eine Schinderei gewesen. Seine Trauer über den Tod der Mutter war ein Brei, den er mit grausamem Vergnügen jeden Tag neu anrührte, um ihnen vorzuführen, wie er fast darin versank, damit alle, seine Kinder, die Hausangestellten und Freunde, ihn bemitleideten, ihm Zuwendung und Zärtlichkeit gaben. Aber Vanessa hatte das verweigert. Sie war 16 Jahre alt, als die Mutter 1895 plötzlich starb. Und nachdem das Unglück kein Ende nahm und die große Halbschwester ihr zwei Jahre später folgte, sollte Vanessa dem Vater Trost, Liebe und Fürsorge geben. Aber sie tat nur das Nötigste, und das war schon eine schwere Bürde: die Besprechungen mit der Köchin und den Hausmädchen, die Planung der Mahlzeiten und die Einladungen der Gäste, aber am schlimmsten, wenn sie am Anfang der Woche dem Vater das Haushaltsbuch vorlegen musste und der um jeden Penny in ungezügeltes Gejammer von drohender Armut und Hunger ausbrach.

Sie hatte sich auch dem Halbbruder verweigert, der sie in die gehobene Gesellschaft einführen wollte, auf Bälle und Dinnergesellschaften schleppte mit dem Ziel, ihr die Verhaltensvorschriften eines wohlerzogenen jungen Mädchens beizubringen und am Ende einen respektablen Ehemann zu finden. Vanessa schmunzelte. Armer, dummer George. So milde konnte sie heute über ihn denken. Vanessa besuchte die Zeichenschule, sie wollte Malerin werden. Die Einzige, um die sie sich wirklich kümmern wollte, war Ginny, ihre drei Jahre jüngere Schwester Virginia, die ihren ersten Nervenzusammenbruch nach dem Tod der Mutter bekam und ihren zweiten 1904, nach dem Tod des Vaters.

So war Vanessa mit allem allein gewesen. Und doch diese unbändige Freude! Hyde Park Gate 22 stand für den Muff des vergangenen Jahrhunderts: die steifen Teegesellschaften, bei denen die alten Damen und Herren immer die gleichen Phrasen wiederholten, höfliche, hohle Sätze; für ein Korsett von Verhaltens- und Kleiderregeln, für verstaubte Samtvorhänge, klobige Möbel und dunkle Tapetenmuster an den Wänden. Wenn Vanessa die schwere Tür von Hyde Park Gate zufallen ließ und mit schnellen Schritten, soweit die langen Kleider und der weitkrempige, unpraktische Hut es zuließen, die Straßen von Kensington verließ, begann das Leben in ihren Adern zu pulsieren. Gewichte fielen von ihren Schultern. Die Luft, die vorher, dickflüssig, kaum einzuatmen war, floss ungehindert in ihre Lungen, und das Herz begann zu singen. Bloomsbury, dieses Viertel war von der ärmeren Bevölkerung bis hin zu kleinen Handwerkern und Angestellten bewohnt, hier würde sie keinen der alten Freunde ihrer Familie treffen, und die Slade School of Art lag ganz in der Nähe. Es gab nur noch ein Problem: ihr Halbbruder George. Er wollte sie nicht allein ziehen lassen. Aber glücklicherweise verliebte er sich und heiratete!

Als Vanessa das erste Mal Gordon Square 46 betrat, hatte sie sofort die Farben vor Augen, die hier einkehren würden: die Wände hell, luftige, bunte Vorhänge, dazu passende Möbel. Jeder der Geschwister würde ein eigenes Zimmer erhalten: der ein Jahr jüngere Thoby, der Jura studierte, Adrian, der jüngste, der am Trinity College in Cambridge war, Virginia und sie. Vanessa verkaufte die meisten Möbel ihrer Eltern. Der Vater hatte etwas Geld hinterlassen. Der zweite Halbbruder Gerald würde sich darum kümmern, das Haus am Hyde Park Gate zu vermieten, das wären dann ihre regelmäßigen Einnahmen. Sie hatte gelernt zu wirtschaften und besorgte Stoffe, einfache Möbel, alles sollte klar und hell werden. Und auch ihre Lebensweise würde sich radikal verwandeln. Sophie, die Hausangestellte, die mit ihnen umziehen würde, müsste einiges dazu lernen. Das Leben würde nach dem eigenen Empfinden gestaltet, genau wie beim Malen sollte nur gelten, was sie zutiefst selber wollte.

 

Die Vase mit den roten Tulpen vor dem Fenster, durch das der Blick auf das Weinfeld fiel, das gerade zu grünen begann ... noch sehr viele Brauntöne, der Winter zeigte letzte Spuren, aber ganz hinten zwischen weißblauem, erleuchtetem Himmel und dem dunkelgrünen Rand der dicken Zypressen, das Meer.

Vanessa zog das dünne Nachthemd über den Kopf und stand nackt vor dem Fenster, das sie ganz geöffnet hatte. Da war wieder diese Vogelstimme, hu hu hu, eine zweite antwortete. Ein Vogel mit schwarz-weißen Streifen strich dicht über das Weinfeld, gefolgt von einem zweiten. Ob es ein Eichelhäher war?

Sie goss aus dem Krug Wasser in eine Schüssel, es war Töpfergeschirr, hell-beige mit einem zarten Blattmuster, das sie mit Duncan letztes Jahr in St. Rémy gekauft hatten, als sie schon wussten, sie wollten dieses Haus in Cassis mieten, das sich La Bergère, die Schäferin, nannte.

Venus und Adonis
Roman / Novelle
ALS BUCH:
Softcover
504 Seiten
Format: 140 x 220 mm
Auslieferung ab 9. März 2015
D: 19,90 Euro A: 19,90 Euro CH: auf Anfrage

ISBN (Print) 978-3-943446-18-0

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