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Die Zeugen

Belletristik

Jaime Begazo

Die Zeugen

Aus dem peruanischen Spanisch von Frank Henseleit

Jaime Begazo begegnet in seinem prämierten Kurzroman "Die Zeugen" dem Autor, den man seit Jahrzehnten für den Inbegriff der Literatur hält: Jorge Luis Borges. Eigentlich ein Sakrileg, macht er sich auf, die Erzählung "Emma Zunz" aus Borges’ "Das Aleph" neu zu schreiben.

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Verlagstexte

Begazo erzählt uns eine Begegnung mit dem gealterten Borges in Genf, wie Borges die üblichen Fragen an ihn pariert, bis Begazo sein Alter Ego ein Detail aus Emma Zunz ansprechen lässt, einer der kunstvollsten Parabeln der Literatur. Begazo und sein Alter Ego erweisen sich als aufmerksame Leser par excellence und wir hören aus dem Munde des Meisters selbst, wie er seine Parabel aufschnürt, in seine Erinnerungen an das Buenos Aires des Jahres 1922 eintaucht und in die Labyrinthe seiner Werke zurückkehrt.

Borges entfacht vor dem staunenden Zuhörer die Glut der wahren Erzählung, die unerhörte Geschichte dahinter, die nur einem Zweck dient: der Rehabilitation Emma Zunz’ – und seiner eigenen.

Ob als Erzählung, Novelle, Kurzroman oder Krimi, wie auch immer man Die Zeugen liest, Jaime Begazo erteilt seinen Lesern eine Lektion in Literatur, die des Meisters würdig ist.

Übersetzer:
Frank Henseleit, 1964 in Dortmund, ist Autor und Verleger. Er übersetzt aus dem Spanischen, Portugiesischen und Katalanischen, u.a. Manuel Chaves Nogales, Blai Bonet, Jorge Luis Borges, Fernando Pessoa, Mário de Sá-Carneiro.

OT: Los testigos, Editorial Corts, 2005

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© Cover: Verlag, Foto(s): Jaime Begazo

Textprobe(n)

Das letzte Mal sah ich Borges Mitte April 1986 in seinem Apartment in Genf, zwei Monate vor seinem Tod. Eine Woche zuvor hatte ich ihn angerufen. Ich wollte ein Treffen vereinbaren. Etwas Entscheidendes war mir in einer seiner frühen Erzählungen aufgefallen. María Kodama, seine ihn stets umsorgende Frau, erklärte mir, dass er sich von einer kleinen Erkältung erhole, willigte aber ein, als sie meinen Grund erfuhr. "Er würde sich gern am folgenden Wochenende mit Ihnen unterhalten. Passt Ihnen Samstag am frühen Abend?", fragte sie mich. Es war ein offenes Geheimnis, dass Borges keinen Besuch mehr empfing, seit sich sein Gesundheitszustand deutlich verschlechtert hatte. Deshalb überraschte es mich, dass sie das Treffen so schnell anberaumte. Dann sagte sie noch, dass sie ihm erst vor wenigen Tagen einen meiner Artikel über die neueste Ausgabe seiner Gesammelten Werke vorgelesen habe, leider ohne darauf einzugehen, ob ihm die Ausführungen gefallen hatten oder nicht. Das Entscheidende war, dass er bereit war, mich zu empfangen.

[…]

"Ich weiß es nicht", versuchte ich auf seine Frage mit derselben Ernsthaftigkeit zu antworten, die ich in seinem alten Gesicht entdeckte. Andererseits war ich völlig überrascht. Was Borges mir soeben erzählt hatte, war praktisch eine Beichte. Soweit ich wusste, war keinem seiner Biografen diese Beziehung aufgefallen.

"Jetzt möchte ich gerne alles hören. Offensichtlich ist Milton Sills bedeutender, als es die Erwähnung seines Fotos in Emmas Schublade vermuten lässt."

"Das Porträt, das Sie meinen, ohne Bart, war eine dieser alten Daguerreotypien, wie man sie damals in den Fotostudios machte, ich weiß nicht, ob Sie schon einmal eine gesehen haben. Ich war mit ihm zusammen, als diese Daguerreotypie gemacht wurde, wissen Sie? Es war vielleicht bei unserer dritten Verabredung, ich begleitete ihn zu diesem Studio in meinem Viertel."

Plötzlich verstummte Borges, so als wäre ihm ein Irrtum unterlaufen, als wäre ihm aufgefallen, dass er etwas besser nicht erzählt hätte. Er reckte seinen Hals, öffnete seine leeren Augen ein Quäntchen mehr, sein Gesichtsausdruck schwankte zwischen Schmerz und verzerrtem Lächeln, ein mir für alle Zeiten unerklärliches Lächeln. Er stützte sich auf seinen Stock, seine knöchernen Finger wanden sich um den Knauf wie Schlangen auf der Suche nach einem Unterschlupf. Eine weitere Minute des Schweigens verging.

[…]

"Milton war es, der mich diese Geschichte erleben ließ", sagte er schließlich etwas unbehaglich. "Im Vorwort zur damaligen Ausgabe der Erzählung schrieb ich, jemand hätte sie mir erzählt. Natürlich habe ich einige Adjektive hinzugefügt, das war unvermeidlich. Ich erinnere mich sehr genau, dass ich ein paar Hinweise in die Erzählung eingebaut habe, damit sie jemandem auffielen, aber das ist so lange her, dass ich mich nicht mehr an sie erinnere. Und bis zum heutigen Tag hat niemand dieses Detail bemerkt. Ich beglückwünsche Sie dazu, mein Freund."

[…]

Als die Sixtinische Kapelle nach ihrer Restaurierung erstmals seit Jahrhunderten der Welt die originalen Farben zeigte, die Michelangelo benutzt hatte, geriet die Welt der Kunst in Turbulenzen. Viele Kritiker und Professoren renommiertester Universitäten der Welt hatten mit ihren Theorien über den Schmelz der Farben und die Maltechnik des 16. Jahrhunderts ihre Karrieren begründet. Als die Restaurierung schließlich die originalen Farben erkennen ließ, die heller, leuchtender, lebhafter waren, als man je annahm, änderte sich in der akademischen Welt der Kunstgeschichte alles von Grund auf. Würde dasselbe mit Borges’ Werk passieren?

Die Zeugen
Roman / Novelle
ALS BUCH:
Hardcover mit Schutzumschlag
120 Seiten
Format: k. A.
Auslieferung: ab 30. August 2020
D: 18,80 Euro A: 19,80 Euro CH: 25,95 CHF

ISBN (Print) 978-3-96675-086-8

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