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Nausikaa

Belletristik

Rüdiger Görner

Nausikaa

"Nausikaa oder Die gefrorenen Wellen" verwebt Rüdiger Görner die Lebensfäden der gefragten Modedesignerin in London und des adoleszenten jüdischen Exilanten - verarbeitet wie ein Keidungsstück seiner Protagonistin – kunstvoll, voll stofflicher Dichte, einem eleganten Schnittmuster folgend, in mehreren Lagen geschneidert.

Andere Titel des Verlags bzw. der Autorin/des Autors

Verlagstexte

Zwei Schicksale, scheinbar zufällig herausgegriffen mitten aus der "Wolfszeit" des 20. Jahrhunderts: zum einen eine gefragte "Modistin" in einem angesehenen Londoner Modegeschäft, eine Aufsteigerin aus einfachen Verhältnissen, selbstbewusst, quasi alleinstehend trotz einer Verlobung mit einem trockenen Bank-Technokraten; zum anderen ein eigenbrötlerischer jüdischer Lehrersohn aus einer schmucken, konservativen Kleinstadt am Bodensee. Florence scheint in vielem ihrer Zeit, der 1930er Jahre, voraus zu sein, sie steht inmitten einer stockkonservativen Branche an der Schwelle zur selbständigen Modedesignerin, möchte gar Männerkleidung entwerfen; Jean hat seine Berufung noch nicht gefunden (es könnte das literarische Schreiben werden), er hatte aber noch keine Zeit und Gelegenheit, seinen Platz im Leben zu finden: Während seiner Schulzeit wird er im zunehmend antisemitischen Klima geschnitten und zum Außenseiter gemacht, er richtet sich in dieser Rolle ein, nimmt Solidaritätsangebote nicht wahr. Ausgestattet mit Empfehlungen kann er über Zürich, Troyes, Antwerpen und Paris nach London fliehen – die Eltern bleiben zurück im "Reich". Rüdiger Görner schreibt mit "Nausikaa oder Die gefrorenen Wellen" einen von páthos durchdrungenen Roman – und das in des Wortes eigentlicher Bedeutung: voller Leidenschaft, die mehr und mehr im Leiden aufgeht. Görner führt die Lebenslinien von Florence und Jean schließlich in London zusammen – es geht um Liebe, um das Frau-Sein und das Mann-Werden. Aber diese beiden dem Wasser verbundenen Wesen, diese Anti-Körper sind nicht für ein "normales" Dasein, eher für das Verschwinden geschaffen. Der vielschichtige Roman ist wie eines von Florences Kleidungsstücken gearbeitet – behutsam, kunstvoll, voll stofflicher Dichte, einem eleganten Schnittmuster folgend, in mehreren Lagen geschneidert: ein Roman über das Aufwachsen im Deutschland der Zwischenkriegszeit, über die Entwicklung und die Abwehr der Körperlichkeit, ein Migrations- und Exilroman, ein luzides Porträt der englischen Gesellschaft der dreißiger Jahre, eine Liebeserklärung an das vielschichtige Faszinosum London. Ein zutiefst europäisches Buch.

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© Cover: Verlag, Foto(s): k. A.

Textprobe(n)

Es war noch nicht lange her. Ende August 1938. Ferien in Shanklin. Mit Ralph. In getrennten Zimmern, Tag für Tag den Klippen entlang: auf dem Cliff Walk nach Sandown und ein Sonnenbad am Strand oder am Keats Green in Shanklin, Isle of Wight. Ralph hatte den Sunday Express gekauft und ihr den Leitartikel vorgelesen: Es wird keinen Krieg geben. Ihren Eltern hatte sie einen Kartenbrief geschrieben von ihrem Hotel aus mit Blick aufs Meer und die Klippen und den Strand: Die Menschen hätten Angst vor Hitler; die Hälfte der Gäste seien abgereist. Sie denke nicht daran. Ralph habe inzwischen aber doch abreisen müssen, seiner Position in der Bank von England wegen und so weiter … Aber er habe ihr aus London sogleich eine große Schachtel mit Fullers Pralinen geschickt. Sie sonne sich derweilen, sei so braun wie eine Haselnuss; sie genieße das Strandleben in vollen Zügen. Dazu fünf Ansichten von Shanklin – auch vom alten Dorf fernab der eleganten Hotels, mit seinen schilfgedeckten, geduckten Dächern und geschnitzten Giebelbalken, den Promenaden und vom sogenannten Wasserfall, einem Rinnsal eher, mit Aussichtshütte. Gratwanderungen ließen sich hier unternehmen. Den Satz hatte sie wieder ausgestrichen. Weshalb die Eltern unnötig beunruhigen. Es wird keinen Krieg geben und keine Gratwanderungen. Eigentlich wollte sie hier ihre ganze Familie einfach vergessen, ihren streitsüchtigen Bruder George, einen Lehrling bei einem Juwelier, ihre verschwiegene Schwester Vanessa, die nie Partei ergriff, aus der keiner schlau wurde, die immer las; ihren herrischen Vater, der etwas Erstickendes hatte, es aber auf seine Art gut meinte, ein Handlanger nur, ihre launische, aber stets überbesorgte Mutter, diese ganze Kleinkariertheit in 21 Evelyn Road wollte sie, musste sie hinter sich lassen. Ralphs Familie war keinen Deut besser, nur wohlhabender, prätentiöser; Ralphs Vater verkehrte in seinem Club sogar mit einem ausgedienten Premierminister, der offenbar vor kurzem diesen Hitler in seinen Bergen besucht hatte. Sie hatte sich Ralph versprochen, aber im Shanklin Hotel wieder auf getrennte Zimmer bestanden. Sie wollte, und sie wollte nicht. Grüßt Vanessa von mir, hatte sie am Ende ihres Kartenbriefes geschrieben. Sie wird ja sicher wissen, dass John Keats auch hier war, einen Monat lang im Sommer 1819. Im Hotel verkauften sie eine Broschüre mit allen Briefen, die Keats in Shanklin geschrieben hatte und in Großsperrdruck eines seiner Sonette: Happy is England!, wobei, wie Ralph ihr erklärte, keineswegs sicher sei, dass Keats dieses Gedicht, das zu seinen mittelmäßigsten Gelegenheitserzeugnissen gehöre, wirklich in Shanklin geschrieben habe. Ralph kannte sich in dergleichen Dingen aus, nicht nur in Fragen der Goldreserven der Bank von England.

Nausikaa
Roman / Novelle
ALS BUCH:
Hardcover
304 Seiten
Format: 141 x 216 mm
Auslieferung: ab Mai 2015
D: 22,00 Euro A: 22,00 Euro CH: 23,00 CHF

ISBN (Print) 978-3-854494-32-4

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Pressekontakt des Verlages:

Matthias Schmidt
+43 (0)1 5868070
verlag(at)sonderzahl.at

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Matthias Schmidt
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